Erstnachweis des Neozoons Leptoglossus occidentalis (Heteroptera : Coreidae / Amerikanische Kiefernwanze) im Botanischen Garten des CID Institutes


Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
CID Institut

12. April 2019


Abstract : First record of the Western Conifer Seed Bug Leptoglossus occidentalis (Heteroptera : Coreidae) at CID Institute Botanical Garden.

Resumen : Primer registro del chinche de semillas de coniferas Leptoglossus occidentalis (Heteroptera : Coreidae) oriundo de America del Norte Occidental en el Jardin Botanico del Instituto CID






Man kann sie noch nicht seit langem in unseren Breiten bewundern, die Amerikanische Kiefernwanze, denn erst seit nunmehr 20 Jahren meldeten 1999 erstmals wissenschaftliche Publikationen ihr Erscheinen in Europa. Ein prächtiges, im Vergleich zum gewohnten Anblick anderer, einheimischer Leder-Wanzen-Arten überaus grosses Tier, das 2 Zentimeter lang werden kann und sich am Boden bedächtig langsam und etwas spinnenähnlich fortbewegt. Besonders auffällig sind die Wimpel-förmigen Verbreiterungen der Tibia des hinteren Beinpaares, die nur  teilweise dunkel gefärbt und teilweise lichtdurchlässig sind, so dass bei Gegenlicht am Fenster betrachtet das Tier besonders schön und auffällig gezeichnet erscheint. Dazu tragen auch die für Coreiden typischen, farblich abgesetzten Felder an den beiden gegenüberliegenden Aussenrändern des Hinterleibes und die auffällige, winklige, weisse feine Linienzeichnung auf den Flügeldecken bei, anhand welcher man die Art unschwer wiedererkennen mag.


Leptoglossus occidentalis mit artesanal hervorgehobenem Zeichnungsmuster, das einem afrikanischen Ritual-Tanzmasken Design nicht unähnlich ist, im Gegenlicht



Mitte April ist eigentlich noch früh für die erste Sichtung dieser Art im Jahr, denn die Wanzen sind im allgemeinen wärmeliebend und verlassen erst ab Mai ihre Winterquartiere. Doch haben die Auswirkungen des Klimawandels für diese Art besonders gute Vermehrungsbedingungen geschaffen, so dass beispielsweise nach langanhaltender Hitze und Trockenheit im Sommer 2018 ein Massenauftreten der Tiere im darauffolgenden Herbst in Deutschland registriert wurde, die dabei in grosser Zahl auch in Wohnungen eindrangen und dort in den Folgemonaten überwinterten. So ist die heute im CID Institut gesichtete Western Conifer Seed Bug sozusagen ein Haustier oder besser gesagt ein internationaler und gerngesehener Institutsgast, denn diese Wanzenart ist als reine Pflanzensaugerin für Tiere und Menschen vollkommen ungefährlich und kein Vektor für Krankheiten. 

Auch in unserer "normalen" Natur ist die Amerikanische Kiefernwanze nicht als Schädling anzusehen. Zwar saugen die Larven, die als Nymphen aus den an Coniferen-Zapfen abgelegten Eipaketen schlüpfen, an den Samen und reduzieren so deren Keimfähigkeit, doch ist der Verlust eines gewissen Prozentsatzes der Samen in der freien Natur irrelevant, da Unmengen von Piniensamen jährlich neu erzeugt und ausgestreut werden und auch unbegrenzter, wilder Nachwuchs von jungen Bäumen in den forstwirtschaftlich genutzten Wäldern nicht unbedingt erwünscht ist. Aus den USA werden zwar Ertragseinbussen in speziell auf die Vermehrung von Pinien-Saatgut spezialisierten Baumschulen gemeldet, doch werden dort stark schwankende Werte für die Verluste angegeben. Die an den Samen saugenden Nymphen reduzieren dabei den Inhalt einzelner Samenblättchen eines Zapfens, schädigen aber nicht den Baum als solchen, so dass nennenswerte Ertragseinbussen höchstens im Zusammenhang mit seltenen Massenvermehrungen der Coreide zu erwarten wären, also in Ausnahmejahren, in denen die Population von Leptoglossus occidentalis lokal oder spontan stark ansteigt.


Die Coreide Leptoglossus occidentalis bei welcher man sich nicht wundern muss, wenn man sie in älteren Werken der Fauna von Deutschland nicht findet, denn sie ist wohl erst um 1999 aus dem nordamerikanischen Kontinent kommend nach Europa übergesiedelt, so wie Leptinotarsa decemlineata ihr das einige Jahrzehnte zuvor vorgemacht hatte.



 
Ursprüngliche Verbreitungsregion der Lederwanze war das westliche Nordamerika von Mexico und California im Süden bis British Columbia und Saskatchewan im Norden. Vermutlich in Verbindung mit dem zunehmenden anthropogenen Pflanzen- und Saatguthandel und der Christlichen Weihnachtsbaumtradition dehnte sich das Verbreitungsareal ab den 50iger Jahren in den USA langsam bis in den Mittleren Westen aus und erreichte in den 70igern Wisconsin und Illinois und in den 80igern die Atlantikküste. In den 90iger Jahren erfolgte die Besiedlung  des Nordostens der USA und Canadas. 

1999 wird der erste Fund von Leptoglossus occidentalis im Norden Italiens registriert und bereits wenige Jahre später ist die Nordamerikanische Kiefernwanze fast überall im Land zu finden. Über die östlichen Nachbarländer Italiens breitete sie sich weiter aus bis sie 2006 dann auch in Fankreich und Deutschland entdeckt wurde. 2010 hatte die gut flugfähige Neubürgerin dann Norwegen, Portugal und die Türkei erreicht und war somit in Europa fast omnipräsent (Meral Fent, Petr Kment Romania 2011). Neueste Publikationen weisen darauf hin, dass sie sich nun auf dem Ausbreitungswege nach dem Fernen Osten hin befindet und im Jahr 2018 mittlerweile in Alma Aty, der grössten Stadt von Kazachstan, angekommen ist.


Leptoglossus occidentalis am 12.4.2019 im CID Institut nach dem Verlassen ihres Winterquartieres trotz unerwarteten klimatischen Kälteeinbruches


"Es wird aber auch Zeit", könnte man sagen, "seit 2006 in Berlin und Bayern und schon weiter ab in Richtung China und erst jetzt in Weilmünster aufgetaucht ?" Doch der Botanische Garten des CID Institutes ist rar an Coniferen und Weihnachtsbäume in Tannenform sind schon seit einer Dekade durch die stattlichen Avocadobäume ersetzt worden, die in den Wintermonaten die Innenräume des kleinen Institutes schmücken, so dass gar kein Tännchen mehr Platz zum Aufstellen an "X-mas" finden würde, beziehungsweise an Navidad, wie es in der Haupt-Instituts-Sprache zu heissen hätte.  

Das Neozoon im Neophyten-Bewahrungs- und Vermehrungsgarten ist also jetzt an seinem Platz und fügt sich in die ansonsten reichhaltige Hymenopteren-Fauna des Botanischen Gartens des CID Institutes perfekt ein, welcher die Leder-Wanze insofern nicht gerade unähnlich ist, als dass beim Ausbreiten ihrer Hemi-Elytren - also der Flügel-Decken - ein gebändertes Abdomen sichtbar wird, das bei raschem Vorbeiflug mit einem Wespen-Abdomen verwechselbar ist. Eine Art von Wespen-Mimikry also, die das Insekt vor solchen Jägern und Prädatoren schützt, die sich vor Wespenstichen zu fürchten haben. 

Die gute Fliegerin erzeugt im Flug ein relativ laut hörbares Summ-Geräusch, das an ein Hummelschwirren erinnert. Auch ist sie in der Lage, bei Störung ein Wehrsekret abzusondern, dessen Duft von Menschen als angenehm empfunden wird und an das Aroma von Kiefernnadeln oder Äpfeln erinnern soll. 

Welches weltweite, neue ökologische Gleichgewicht sich in den nächsten Jahrzehnten zwischen den Pinienzapfensaugern und ihren Wirtspflanzen einstellen wird ist schwer vorhersehbar. Die Beobachtung der Ausbreitungsdynamik des für die meisten Weltregionen neuen Insektes wird sicher interessante Erkenntnisse über die Entwicklung von Resistenzen der Nahrungspflanzen gegenüber ihren neuen Kommensalen bringen, ein Gleichgewichtsprozess der jede Evolutionsdynamik naturgegebenermassen begleitet. So werden Baumschulen zukünftig vermutlich Pinienarten bevorzugen und fördern, die weniger betroffen vom Befall durch Leptoglossus occidentalis sind beziehungsweise aktiv Nützlinge einsetzen, die als Antagonisten der nahrungstechnisch spezialisierten Insekten wirken. Vermutlich wird auch die Parfümindustrie sich auf die Spur des Duftstoffes machen, und versuchen, das angenehme Aroma, das die Insekten zu verbreiten in der Lage sind, synthetisch nachzuahmen.  

Und vermutlich sind Biochemiker schon auf der Spur des Insekten-Pheromones, das die Aggregation von tausenden von Individuen an potentiellen Winterquartieren auslöst, denn dieses würde, wenn man es denn zu synthetisieren verstünde, mit Sicherheit als Grundstoff für ein biologisches Bekämpfungsmittel eingesetzt werden, mit dessen Hilfe die Insekten gezielt in eine Pheromon-Falle gelockt werden könnten.

 
Leptoglossus occidentalis, die Nordwestamerikanische Kiefernzapfenwanze

 


Text Fotos und Redaktion
Peter Zanger












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