Trotz extrem nachteiliger klimatischer Konditionen hält sich der wiedererstarkte Flusskrebsbestand im Mittellauf der Weil
Dipl. Biol. Peter Ulrich Zanger
CID Institut
13. September 2018
Flusskrebse in deutschen
Gewässern galten seit jeher als allgegenwärtig in unseren
Wasserläufen, doch führte im vergangenen Jahrhundert die Krise der
Gewässerbelastung zu einem fast vollständigen Verschwinden der
Krebspopulationen in Bächen und Flüssen, die unter der Einleitung
von Abwässern zu leiden hatten. Durch das wachsende
Umweltbewusstsein insbesondere der sogenannten ÖKO-Generation, die
zunehmende Einflussnahme ökologisch denkender Parteien,
Bürgerinitiativen, Aktionsgruppen und politisch bewusster Kreise und
die Selbstheilungsmechanismen der Agrar- und Haushaltschemikalien
produzierenden Industrien, Verbände und nicht auch zuletzt der
Produktanwender, welche alle gemeinsam eine Neuorientierung der
Umweltpolitik begründeten, konnte seit den 80iger Jahren aber ein
erfreulicher Rückgang der Umweltbelastungsfaktoren, eine Erholung
der bedrohten Biotope und eine Wiederzunahme der im Rückgang
befindlichen bedrohten Tier- und Pflanzenarten erkämpft werden.
Flusskrebs der Weil-Population im Spät-Sommer 2018
Süsswasserkrebs aus der Weil am 12. September 2018. Das Tier trägt eindeutige Körper-Merkmale des Signalkrebses Pacifastacus leniusculus doch fehlt das für diese Art typische auffällige, helle Farb-Makel auf der Oberseite der Scheren.
Seit 1990 mehren sich
auch die Meldungen von Naturkundlern und Naturwissenschaftlern über
die Wiedereinwanderung verloren gegangener, verschollener und als
ausgestorben vermuteter Tier- und Pflanzenarten in Form von
Wiederfunden und Neubeobachtungen. Nun sind Bestandsfluktuationen und
Migrationen von Lebensarten über längere Zeiträume hinweg
betrachtet in der Natur etwas vollkommen Normales. „Unsere“
typisch heimische Flora ist dies auch erst seit Herrn Linné`s
exakter Bestandsaufnahme und Benennung aller existierenden Arten, die
bisweilen ausser Acht lässt, dass „Neophyten“, „florenfremde
Einwanderer“ oder „invasive Arten“ wie etwa tropische Baumfarne
zu früheren Zeitpunkten, nämlich in den Erdzeitaltern Jura und
Tertiär, schon einmal „bei uns“ ganz normal heimisch waren,
bevor Tektonik, Eiszeiten, Klimaschwankungen und geophysikalische
Prozesse „unsere“ Landschaft so veränderten, dass schliesslich
unter anderem Eichen und Maikäfer in Deutschland zu dominieren
begannen. Warum sollten wir uns also auf eine historische Reduktion
„unseres“ heimischen Artenbestandes einlasseu, also auf die
naturwissenschaftliche Momentaufnahme aus dem späten Mittelalter als
ewiger, ur-heimatlicher und gottgegebener Bestandzusammensetzung
„unserer Flora und Fauna“ ?
So steht der heutige
wissenschaftliche Diskussionsstand um die Flusskrebse oft unter dem
Aspekt des Lamentierens über aus Nordamerika eingewanderte
Süsswasser-Krebsarten welche angeblich „unsere heimischen Arten“
verdrängen würden. Dies führt zu Kuriositäten wie dem Bekämpfen
und Verbieten des Roten Amerikanischen Flusskrebses Procambarus
clarkii und des Signalkrebses Pacifastacus leniusculus,
welche, anstatt sie als Bereicherung der Artendiversität unseres
Ökosystemes anzusehen und sie als Leckerbissen zu vermehren und zu
verspeisen mittels Europäischer Artenschutzrichtlinien unterdrückt
werden. In China würden sie statt dessen neu importiert, gezüchtet
und dann teuer als Delikatesse wieder nach Deutschland exportiert
werden.
Nun stehen die
Flusskrebspopulationen in kleineren Bach- und Flussläufen von
Mittelgebirgsregionen aber vor einem komplexen Problem, welches ihre
Wiederetablierung, Vermehrung und Ausbreitung aber extrem behindert.
Um die ehemals stark kontaminierten Gewässer des vergangenen
Jahrhunderts wieder zu reinigen und neu zu Beleben wurden vielerorts
aufwendige Abwasser-Sammelsysteme, Reinigungs- und Kläranlagen
gebaut, welche nach dem System der Mischwasser-Erzeugung aus Abwasser
und sauberem Naturwasser funktionieren, und die Konzentration von
Schadstoffen durch Sedimentation, Filtrierung, biochemische Prozesse
und Verdünnung zu reduzieren. Die Entnahme saubern Naturwassers und
Grundwassers zu Klärzwecken führt aber zu einem enormen
Wassermangel in Fliessgewässern mit geringer Wasserfracht
insbeondere in den Sommermonaten. In besonders trockenen Jahren mit
verminderten Niederschlägen, wie sie seit dem Jahrtausendwechsel
vermehrt registriert werden, kann dies zu monatelangem, vollständigen
Austrocknen von Gewässeroberläufen führen. Auf diese hydrologischeBesonderheit des Oberlaufes der Weil hat das CID Institut in einer
Publikation der Schriftenreihe Natur des Weiltales am 8.11.2015
hingewiesen.
Wohin aber vermehren sich
Amerikanische Flusskrebse, unsere hartnäckigen, invasiven
Einwanderer, wenn im Bach kein Tropfen Wasser fliesst ? Überleben
können sie die Trockenmonate des Flussbettes nur in wenigen,
ärmlichen Rinnsalen, in welchen sich Reste des eigentlichen
Fliessgewässers ansammeln und so eine Art natürliches Aquarium für
alles bilden, was im Gewässer noch überlebt. Dort im
Restwasserbecken zusammengedrängt könnten sich tatsächlich Szenen
wiederholen, die der Aquarianer im Wohnzimmer beobachtet hatte, als
der invasive Flusskrebs den heimischen Flusskrebs erfolgreich
niedergekämpfte und verspeiste.
Flusskrebs der Middle-Weil-Population am 12 September 2018 bei der fotografischen registrierung durch den Foto CID Fotografen
Fotografie: Sali Liu / Foto CID Nature Studies
Nicht der Neozoon
Flusskrebs hat den sensiblen, heimischen Flusskrebs verdrängt,
sondern die glücklicherweise heute reduzierte Gewässerkontamination,
die technischen Eingriffe in natürliche Wasserläufe und die starke
Wasserentnahme zu Abwasserreinigungszwecken, die im Zusammenwirken
mit Klimatrockenzeiten extreme Wassermängel in machen
Fliessgewässern erzeugt. Um überhaupt wieder Flusskrebse in
deutschen Flüssen beobachten zu können beziehungsweise diese
irgdenwann wieder fischen und essen zu können, wurden verwandte
Arten aus anderen Weltregionen zu uns gebracht und so wurde es
überhaupt erst wieder möglich, einen Flusskrebs im Bachbett
beobachten zu können.
Wie die Natur nun so
spielt kommt es in solchen Situationen dann auch zu Vermischungen des
Genpools, das heisst, es entstehen neue Arten bzw. Mischformen mit
den Aussehensmerkmalen neuer und ehemals alleine heimischer Arten.
Solcherlei kann man glücklicherweise heute im Mittellauf der Weil
beobachten, wo Rinnsale trotz des extrem trockenen Sommers
Populationen von Flusskrebsen beherbergen, die sowohl Merkmale des
Edelkrebses Astacus astacus als auch des ehemals
Nordamerikanischen Signalkrebses Pacifastacus leniusculus
tragen.
Signalkrebs heisst der Signalkrebs insbesondere wegen der leuchtend rot gefärbten Unterseiten der Scheren, welche er zur abschreckenden Drohung bei Einnahme einer Abwehrhaltung in die Höhe hebt, so dass potentielle Angreifer oder Fressfeinde dadurch irritiert werden. Signalwirkung haben auch die grossen hellen Flecken auf der Oberseite der Scheren, die zwar ein arttypisches Bestimmungsmerkmal sein sollen das allerdings bei manchen Exemplaren auch fehlen kann oder nur fast unsichtbar ausgebildet sein soll.
Paar des SIGNALKREBSES (Signal Crayfish) Pacifastacus leniusclus bei Paarungsvorbereitungen in der Mittleren Weil
Fotografie: Sali Liu / Foto CID Nature Studies
Signalkrebs heisst der Signalkrebs insbesondere wegen der leuchtend rot gefärbten Unterseiten der Scheren, welche er zur abschreckenden Drohung bei Einnahme einer Abwehrhaltung in die Höhe hebt, so dass potentielle Angreifer oder Fressfeinde dadurch irritiert werden. Signalwirkung haben auch die grossen hellen Flecken auf der Oberseite der Scheren, die zwar ein arttypisches Bestimmungsmerkmal sein sollen das allerdings bei manchen Exemplaren auch fehlen kann oder nur fast unsichtbar ausgebildet sein soll.
Die Erkennung des Signalkrebs-Bestimmungsmerkmales "Rote Scherenunterseiten" ist nur möglich, wenn man die Tiere im Wasser fängt. Bei der Betrachtung "von Oben" durch die Wasseroberfläche sind Signalkrebs und Edelkrebs kaum zu unterscheiden.
Ein Exemplar der Population mit deutlich erkennbaren hellblau leuchtenden Signalpunkten auf den Scherenoberseiten
Fotografie: Sali Liu / Foto CID Nature Studies
Ein Exemplar der Population mit deutlich erkennbaren hellblau leuchtenden Signalpunkten auf den Scherenoberseiten
Fotografie: Sali Liu / Foto CID Nature Studies
Schriftenreihe Natur des
Weiltales / Die Natur Weilmünsters – Naturkundliche Notizen III
Eine Publikation des CID Institut Weilmünster
Kommentare
Kommentar veröffentlichen